Übernahmen und Überlassungen im Archiv des Literaturhauses 2021
Aufsehenerregend – zumindest mit den Augen eines Archivars betrachtet, fing das Jahr 2021 an: In einem Keller in Berlin wurde der verschollen geglaubte Nachlass des Schriftstellers Otto Bernhard Wendler gefunden, der dann über den Potsdamer Wissenschaftler Dr. Jan Kostka den Weg ins Literaturhaus gefunden hat. Etliche „Kostbarkeiten“, wie persönliche Dokumente, Tagebücher, Fotografien, Schreiben mit Verlagen sowie Rundfunk und Fernsehen geben Auskunft über ein persönliches Schriftstellerleben, über das Wirken als Vorsitzender des Schriftstellerverbands in der Region, und Erhellen somit die Bedingungen des Schreibens zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Nicht minder spannend, doch umso liebenswürdiger gestaltete sich das Treffen mit der „Trauschin“ – der Autorin Christel Trausch – die uns anlässlich Ihres 87. Geburtstages zu sich einlud. In einer persönlichen Führung beeindruckte uns die gestandene Autorin und Lyrikerin mit ihren Berichten über Ihr vielfältiges Schaffen und überließ uns nach dieser intensiven Begegnung viele Materialien und Dokumente, die darüber nachhaltig Auskunft geben. Herzlich war vor allem auch die Zusammenkunft im Literaturhaus mit einer Lyrikerin, die gebürtig in Berlin bald in Halle Ihre Heimat gefunden hat. Marie K.´s Wirken ist geprägt von Zurückhaltung und einer starken Empathie für Ihr Gegenüber, was in prägnanten Zeilen seinen lyrischen Ausdruck findet.
Über diese Übernahmen von Archivmaterial hinaus wurden bestehende Teilnachlässe erweitert: so erreichten uns beispielsweise Manuskripte von Hanns H. F. Schmidt, der im Jahr 2019 verstorben ist, Mitbegründer der Literarischen Gesellschaft Magdeburg war und dem breiten Leserkreis vor allem durch seine Beschreibungen und Anekdoten von Börde und Altmark bekannt ist. Eine weitere Schenkung komplettiert hingegen den Nachlass des Schriftstellers Heinz Kruschel, der u.a. mit dem Roman „Gesucht wird die freundliche Welt“, der als Sabine Wulff verfilmt wurde, Bekanntheit erlangte. Eine Puppe aus dem Puppenspiel „Die Bimmeljule“, verschiedene Porträts sowie eigene Bilder ergänzen damit die zahlreichen Manuskripte, Korrespondenzen und weiteren Materialien des langjährigen Vorsitzenden im Friedrich-Bödecker-Kreis/Landesverband Sachsen-Anhalt, dessen Todestag sich am 13.12.2021 zum 10. Mal jährt.
Erst vor kurzem konnten wir das literarische Archiv des in Magdeburg geborenen Schriftstellers Siegfried Maaß übernehmen. Stetes Anliegen des nunmehr 85-jährigen war das Schreiben für Kinder, bei dem auch bewusst Konflikte der jungen Leser:innen verarbeitet werden und es nicht nur um die „gute heile Welt“ geht. Daraus resultiert auch das Bedürfnis die Kinder selbst zum Schreiben zu motivieren. In diesem Sinn leitete Maaß u.a. über längere Zeit den Schreibwettbewerb des Friedrich-Bödecker-Kreises Sachsen-Anhalt.
Genauso fulminant wie das Jahr im Archiv des Literaturhauses begonnen hat, so neigt es sich allmählich dem Ende. Denn schon ist der Grundstein gelegt für das Mehmed-Ali-Pascha-Archiv des Instituts für Caucasica-, Tatarica- und Turkestan-Studien (ICATAT), das im Literaturhaus eine neue Heimstatt findet. Neben einem klassischen Angebot an Archivalien im Literaturhaus selbst (Bücher, Manuskripte, Tonträger, Original-Illustrationen, Skizzen, Fotografien, Kunstwerken) wird sich demnächst auch online ein Literatur-Universum besonderer Transkulturgeschichte öffnen. Stück für Stück kann man dann Leben und Wirken des Paschas aus Magdeburg – Carl Ludwig Friedrich Detroit (18.11.1827 Magdeburg - 7.9.1878 Gjakova/Kosovo) – entdecken.