STATT lesen : STADT schreiben.
Magdeburger Stadtschreiberinnen und Stadtschreiber von 2013 bis 2021.
Ein Projekt vom Literaturhaus Magdeburg, initiiert und moderiert von Herbert Beesten und mit freundlicher Unterstützung vom Offenen Kanal Magdeburg.
Magdeburg kann mittlerweile auf acht ehemalige Stadtschreiberinnen bzw. Stadtschreiber zurückblicken, die unterschiedlicher nicht sein könnten und das Amt entsprechend charakteristisch ausgefüllt haben. So facettenreich das Spektrum der Stadtschreiber*innen ist, sie einte bzw. eint die Lust an der Sprache, an dem Spiel mit Worten und natürlich der Wunsch, sich auf die Stadt Magdeburg mit ihren Traditionen, ihrem Temperament und ihren Menschen einzulassen und auseinanderzusetzen.
Doch was machen die einstigen Stadtschreiber*innen Magdeburgs heute? Welche Spuren hat der Aufenthalt in Magdeburg bei ihnen hinterlassen? Welche neuen Projekte sind geplant?
Das sind nur einige Fragen, die im Gespräch mit dem Magdeburger Autor und Performer Herbert Beesten beantwortet werden.
Hier sind die ersten Veröffentlichungstermine:
23.03. / Bernd Wagner
26.03. / Anja Tuckermann
30.03. / Peter Wawerzinek
Die nächsten Termine folgen in Kürze…
Weitere Informationen zur Veröffentlichung der Sendungen finden Sie rechtzeitig hier oder auf unserer Facebook-Seite.
Das ehrwürdige Amt des Stadtschreibers gibt es bereits seit dem Mittelalter. In dieser Zeit hatten die Schreiber viele verschiedene Aufgaben, wie zum Beispiel Ratsherren zu beraten, Protokolle anzufertigen sowie andere vor allem verwaltungsinterne Tätigkeiten. Eines haben sie mit dem Amt des heutigen Stadtschreibers, das als Literaturpreis in Form eines Stipendiums verliehen wird, gemeinsam: sie beobachten und dokumentieren die Geschicke der Stadt, die – in welcher Form auch immer – zu (einer) Geschichte werden…
Diskussionen um die Einrichtung eines Stadtschreiberamtes reichen in Magdeburg etwas weiter zurück. In den Jahren von 1991 bis 1993 hat man einen „Stadtschreiber“ per ABM vom Kulturamt eingesetzt. Zehn Jahre später wurde im Vorfeld der 1200-Jahr-Feier Magdeburgs über ein Stadtschreiberamt debattiert und schließlich folgendes Modell entworfen: Interessierte Bürger Magdeburgs werden aufgerufen, ihre Sicht auf die Stadtentwicklung zu schildern, von denen dann rückwirkend der „Stadtschreiber des Jahres“ gekürt wird. Dieses Modell, das von den einen als „charmante Idee“ begrüßt wurde, nannten andere schlichtweg eine „Billigvariante“, mit der die Chance vertan worden sei, das Image Magdeburgs zu verbessern und die Stadt bundesweit bekannt zu machen.
Im Zusammenhang mit der langfristigen Bewerbung Magdeburgs zur Kulturhauptstadt wurde 2011 erneut ein Stadtschreiberstipendium angeregt, ein Jahr später eingerichtet und schließlich im Jahr 2013 zum ersten Mal vergeben. Die Landeshauptstadt lädt seitdem jährlich deutschsprachige Autorinnen und Autoren ein, sich um die Position einer Stadtschreiberin bzw. eines Stadtschreibers zu bewerben. Dabei soll das Stipendium vor allem der „Unterstützung des eigenen schriftstellerischen Schaffens“ dienen. Erwartet wird darüber hinaus, „dass die Stadtschreiber*innen ihre Amtszeit weitgehend in Magdeburg verbringen und mit künstlerischen Mitteln Geschichte und Gegenwart der Stadt reflektieren.“ Sich Einmischen ist ausdrücklich erwünscht und brauchte den bisherigen Stadtschreibern meistens nicht zweimal gesagt werden, die ihre Eindrücke in und über Magdeburg entweder in dem Stadtschreiber-Blog, einem Journal oder in Lesungen und Gesprächen mal laut mal leise zum Ausdruck brachten. Dass die Landeshauptstadt mit dem Ausschreiben eines Stipendiums zur Stadtschreiberin bzw. zum Stadtschreiber Aufmerksamkeit über die Grenzen hinaus erfährt, belegen allein die Bewerbungen, die unter anderem aus der Schweiz, aus Österreich oder Uruguay eingetroffen sind.
Mittlerweile kann Magdeburg auf acht ehemalige Stadtschreiberinnen bzw. Stadtschreiber zurückblicken, die unterschiedlicher nicht sein könnten und das Amt entsprechend charakteristisch ausgefüllt haben. Dabei ist die eine mehr, der andere weniger im Stadtbild präsent gewesen, was nicht immer den persönlichen Wünschen entsprach, bedenkt man etwa die Auswirkungen der Kontaktbeschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie, die den Stadtschreiber aus dem Jahr 2020 – den Dramatiker Jörg Menke-Peitzmeyer – hart trafen. Sei es durch den Fußball oder als „passionierter Stadtgänger“, der wie Bernd Wagner (2013) intensiv in neue Kulturformate eingebunden war, oder mit Einladungen zu Kaffee und Kuchen, wie sie Inger-Maria Mahlke (2017) aussprach, – die Stadtschreiber suchten eine je eigene authentische Annäherung an Magdeburg und widerspiegeln damit am Ende ein genauso vielseitiges Bild der Stadt und ihrer Kultur, welche einige überrascht, aber andere auch etwas ernüchtert zurückgelassen hat. Weltoffen und bescheiden, aber mit kritischem Blick mischte sich Anja Tuckermann (2014) in die Kulturszene Magdeburgs ein. In ganz Magdeburg unterwegs war ebenfalls Peter Wawerzinek (2015), der radfahrend die, wie er sagt, weniger kulturelle Wirklichkeit Magdeburgs fand, dafür aber die Begegnung mit vielen Menschen genoss. Während sich Werner Fritsch (2016) mit Mechthild von Magdeburg vor allem der älteren Stadt- bzw. Literaturgeschichte annahm, interessierte Nellja Veremej (2018) auf den Spuren der eigenen Vergangenheit vor allem der Bruch in der jüngeren Geschichte der Stadt. Dass die Stipendiat*innen eine in vielerlei Hinsicht produktive Zeit in Magdeburg erlebten, verdeutlicht vor allem auch Nele Heyses Wirken (2019), dass in einem Marathon-Lesefest mündete, in welchem zahlreiche Kulturakteure einbezogen waren.
Aktuell ist die österreichische Autorin und Literaturwissenschaftlerin Marlen Schachinger eingeladen, sich in Magdeburg als Stadtschreiberin zu betätigen. Seit dem 1. März hat sie das Amt inne und ist trotz aller Widrigkeiten schon aktiv gewesen. Angesichts der aktuellen Einschränkungen erscheinen ihre Ziele, sich „konstant und bewusst in das kulturelle Leben der Stadt einbringen zu wollen“ und zur „Wahrnehmung von Literatur im öffentlichen Raum beizutragen“ als ziemliche Herausforderung. Gewiss ist aber, dass auch Marlen Schachinger wie die anderen Schreibenden im Amt zuvor diesem ihre eigene Prägung und Stimme geben wird.
Foto: Herbert Beesten und Marlen Schachinger beim Gespräch im Offenen Kanal. © Herbert Beesten