Das Fremde im Eigenen erkennen – dem Literaten, Komponisten und Maler Hanns H.F. Schmidt zum 84. Geburtstag

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Gastbeitrag von Dr. Mieste Hotopp-Riecke, Letzlingen Juli 2021

Der im Südharz geborene Schriftsteller, Maler, Musiker und Puppenspieler Hanns H.F. Schmidt wäre am 4. Juli 84 Jahre alt geworden.

Hanns H.F. Schmidt ist in Magdeburg und Sachsen-Anhalt aus der Literaturlandschaft auch nach seinem Tode nicht wegzudenken, war Anfang der 1990er Jahre Mitbegründer der Magdeburger Literarischen Gesellschaft, Mitglied des Fördervereins der Schriftsteller sowie des „Willibald Pirckheimer“-Vereins der Bibliophilen und Graphikfreunde Magdeburg und Sachsen-Anhalts. Aus diesen Zusammenhängen rekrutierten sich 2020 auch die Autoren der Gedenklesung des Literaturhauses, sämtlich Mitglieder des Fördervereins der Schriftsteller. Torsten Olle, Reiner Bonack und Albrecht Franke lasen auf hochdeutsch aus seinen Werken, ich rezitierte Gedichte auf Plattdeutsch. Nach dieser langen bleiernen Zeit erscheint es recht unwirklich, wie ein überbelichteter Sommerfarbfilm, dass wir im Sommer 2020 zusammen auf der Bühne standen zwischen Volksbad Buckau und Literaturhaus Magdeburg und dem Herzens-Altmärker Schmidt gedenken konnten.

Reiner Bonack erzählte damals: „Ich bin ihm, seit ich 1982 Kandidat des Schriftstellerverbandes der DDR wurde, häufig auf Versammlungen, Veranstaltungen und sonstigen Gelegenheiten begegnet. Diese Begegnungen waren voller Freundlichkeit und gegenseitiger Achtung. Ich bin ihm sehr dankbar, weil er meine literarischen Bemühungen auch damals schon ernst nahm und als erfahrener und anerkannter Autor mich so ermutigte. In Gesprächen wie auch aus seinen akribisch recherchierten und kenntnisreichen Büchern habe ich durch ihn viel über Land, Länder, Regionen, Kultur und Geschichte sowie Literaten und Künstler verschiedenster Zeiten gelernt und erfahren.“.

Hanns H.F. Schmidt schrieb vor allem vom Leben der kleinen Leute in Börde und Altmark, seine „Skizzen aus der Altmark“ und „Die Altmark ein Lesebuch“ stehen wohl in fast jedem Haushalt, zweisprachig platt- und hochdeutsch. Da er mit Wanderungen durch die Altmark und dem beruflichen Schreiben dort begann, gab er der Altmark auch immer viel zurück: War etwa in Hindenburg 1984 Mitgründer des dortigen Kulturbund-Vereins, las in dutzenden altmärkischen Dörfern und gehörte zudem als Verfasser zahlreicher heimatgeschichtlicher Beiträge dem Autorenkollektiv der „Altmark-Blätter“ an. In Salzwedel leitete er einen Zirkel schreibender Arbeiter und 2012 lautete der Titel seiner Ausstellung im Diesdorfer Freilichtmuseum "Püggen 1973 - 2012 - Bücher, Bilder und Puppen über und aus unserem Dorf", wo er zusammen mit Ehefrau Eleonore mehr als 100 Werke, Bücher und Bilder aus seinem emsigen Wirken präsentierte. Zusammen schufen beide über 200 Figuren für ihre Püggener Puppenbühne. „Hanns H.F. Schmidt ist jemand, der die Altmark transportiert", sagte damals Museumsleiter Friedhelm Heinecke. Doch gilt dies auch für Anhalt, für die Börde, für den Harz und Magdeburg. Er repräsentiert Sachsen-Anhalt weit über die Landesgrenzen hinaus. Eine von ihm komponierte Schuloper schaffte es bis nach Belgien.

Diese Funktion des künstlerischen und literarischen Heimat-Botschafters, die weitaus mehr beinhaltet als das Wort Regional-Schriftsteller fassen kann, wurde und wird oft unterschätzt. Sind doch seine Bücher auch in den Universitätsbibliotheken von Wien, Basel, Salzburg und der „Bibliothèque nationale du Luxembourg“ zu finden und jüngere Wissenschaftler rezipieren seine Werke auf Kongressen zwischen Tokio und Toronto.

Hanns H.F. Schmidt ist im September 2019 verstorben und wurde in seiner Wahlheimat, in Püggen bestattet. Als Vermächtnis hinterlässt er nicht nur über hundert Bücher, sondern auch seine Puppenspiel-Sammlungen, seine Kompositionen und Gemälde. Ein unermesslicher Schatz auch für folgende Generationen.

Hanns H.F. Schmidt war ein Herzens-Altmärker mit etlichen Grillen, die er pflegte neben der Schriftstellerei und Publizistik komponierte und musizierte er, malte und entwarf Puppenspiele. Ich realisierte erst spät, dass er gar nicht aus der Altmark stammt, für uns als Kinder war er einfach DER Altmärkische Autor schlechthin und ich denke in seiner Vielfalt, in seiner den einfachen Menschen zugewandten Art und vor allem in der Hochachtung vor der zweiten Muttersprache vieler Altmärker – dem Plattdeutschen – hat Hanns H. F. Schmidt nicht nur einen festen Platz in den Buchregalen tausender Familien, sondern auch in den Herzen der Leute.

Zum Wirken von Schmidt sagte der Schriftsteller Albrecht Franke im letzten Jahr: „Er wollte nicht modern sein. Von Hanns H.F. Schmidt ging so etwas aus wie Konservatismus. Ich meine das nicht im Sinne von „altmodisch, altbacken, vorgestrig“, sondern mit der Bedeutung, dass man sich am Hergebrachten, Überlieferten orientiert. Das prägte ihn und sein Herangehen an Literatur und Schreiben.“

Was Reiner Bonack erwähnte, das Kennenlernen neuer Welten, fremder Menschen durch Schmidts Werke, dies galt nicht nur für den Blick über den Tellerand von Anhalt an die Ostseeküste oder von der Altmark nach Thüringen, sondern er brachte auch verschollene Mosaikstücke von heimischer Interkulturgeschichte wieder ans Tageslicht. Ohne ihn hätte ich nie erfahren von tatarischen, baschkirischen, kasachischen oder russischen Reitern in unseren Nachbardörfern, von schwedischen und französischen Soldaten, von unseren sorbischen, flämischen und hugenottischen Vorfahren in der Altmark. Er schärfte also auch den Blick für das vermeintlich Fremde im Eigenen immer mit einem konservativen Bezug auf das, was es zu bewahren gilt – gerade auch in teils hysterischen Integrationsdebatten heute: Menschenfreundlichkeit und die Bereicherung durch Vielfalt: Kulturunterschiede mit Augenzwinkern und Heimatliebe nicht als Abschottung, sondern als Gastfreundschaft gespiegelt.

Dr. Mieste Hotopp-Riecke 2020 bei der Gedenklesung für Hanns H. F. Schmidt (c) Jasper Ihlenfeldt.


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