Birgit Herkula - Befragung aus dem Jahr 2017

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Anlässlich ihres Todestages am 07.02. haben wir an die Schriftstellerin Birgit Herkula (1960-2020) erinnert, die auch eng mit dem Literaturhaus verbunden war.
Heute am 15.02. wäre ihr Geburtstag gewesen. An ihrem Ehrentag wollen wir sie selbst zu Wort kommen lassen.
Die Befragung erfolgte im Rahmen der Ausstellung zur Kinder- und Jugendliteratur im Jahr 2017 „Wie wär´s in einer anderen Welt?“ gemeinsam mit dem Friedrich-Bödecker-Kreis.

Wie bist Du denn zum Schreiben gekommen?
Ich bin mit Buchstaben aufgewachsen. In meiner frühen Kindheit gab es bei uns zu Hause keinen Fernseher. Meine Mama las mir jeden Abend vor dem Einschlafen eine Geschichte vor.
Ich beschäftigte mich auch mit Bilderbüchern und freute mich auf die Kinderzeitschrift „Bummi“, die einmal im Monat erschien und die meine Eltern für mich bestellt hatten. Mein Papa las gern dicke große Zeitungen für Erwachsene. Ich wollte immer unbedingt wissen, was in ihnen steht, was Erwachsene interessiert. So wollte ich ganz schnell lesen lernen. Ich hielt das große Zeitungsblatt meines Vaters in den Händen, drehte und wendete es. Manchmal standen die Buchstaben auf dem Kopf, aber ich tat immer so, als ob ich lesen und alles verstehen würde. […]
Als ich älter wurde gab es für mich die Zeitung „Trommel“, die Zeitschrift „Frösi“, dann die Zeitung „Junge Welt“ und verschiedene Jugendzeitschriften. Wir Kinder waren viel an der frischen Luft und haben die Freizeit an den Nachmittagen, Wochenenden und in den Ferien spielend miteinander verbracht. Hier lernten die jüngeren Kinder von den älteren. Unsere Eltern waren unter der Woche meist lange arbeiten. Computer, Smartphones, Videoplayer, Spielekonsolen usw. gab es noch nicht, dafür aber das Wort Langeweile. Nur immer lesen und spielen war manches Mal zu viel des Guten. Dann dachte ich mir meine Abenteuer im Kopf aus. Sie waren verknüpft von dem, was ich alles gelesen hatte und dem, was ich selbst schon erlebt hatte. Ich fing an zu schreiben und meine kleinen Geschichten aufs Papier zu bringen. Das geschah mit einem Füller, der ständig kleckste, und mit dem es sehr anstrengend war zu schreiben. So einfach wie jetzt am Computer ging das damals noch nicht. Irgendwann habe ich das Schreiben dann auch wieder lange ruhen lassen und anderes ausprobiert.

Wann hast Du zu Schreiben angefangen?
Ernsthaft mit dem Schreiben habe ich als größeres Kind und als Jugendliche angefangen. Ich fand so vieles ungerecht auf dieser Welt und habe darüber geschrieben. Die aus meinem ersten Liebeskummer heraus erzeugten Tränen löschten die sehnsuchtsvollen und von Schmerz erfüllten Worte in Liebesgedichten.

Warum schreibst Du für Kinder?
Kinder sind offen, neugierig, ohne Vorurteil, ehrlich (meistens), klug, witzig und humorbegabt, gerecht, ernsthaft, begeisterungsfähig, lebensbejahend und zukunftsgläubig. Für euch zu schreiben ist eine sehr herausfordernde Arbeit. Das Ergebnis dieser Arbeit ist ein erfüllendes Geschenk.

Was war Dein erstes Buch, das Du für Kinder geschrieben hast?
Es heißt „Manchmal weiß ich was vom Tag“ und handelt von einem Mädchen, das von ihren Alltagserlebnissen und -träumereien schreibt.

Wie kommst Du auf Deine Geschichten?
Meistens durch Zufälle. Ich höre Gespräche zwischen Kindern oder zwischen Kindern und Erwachsenen, beobachte Kinder beim Spielen, lese und komme dabei auf neue Ideen. Das Geschichtenerfinden ist keine Leistung, die mein Gehirn einfach so auf mein Bitten hin liefert. Hierfür brauche ich Zeit und Leerlauf, in dem scheinbar nichts passiert.

Was gefällt den Kindern an Deinen Büchern?
Sie sind lustig, witzig und hintergründig, haben überraschende Wendungen und bringen uns miteinander ins Gespräch.

Was war Deine schönste Lesung für Kinder?
Gibt es „nicht schöne“ Lesungen? Ich weiß das nicht, habe sie noch nicht erlebt. Als ich mein jüngstes Kinderbuch auf der Leipziger Buchmesse vorstellen durfte, war das ein ganz besonderes und schönes Erlebnis. Ich las, gemeinsam mit einem größeren Mädchen, vor vielen Kindern unterschiedlicher Altersgruppen und deren erwachsene Begleitpersonen. Alle haben sich gefreut und es gab viel Beifall.

Was war Dein Lieblingsbuch, als du noch klein warst?
Ich habe Bücher verschlungen und kann so viele aufzählen, die ich geliebt habe und noch heute liebe. Unter ihnen waren die Bücher von Alexander Wolkow, Astrid Lindgren, Franz Fühmann, Benno Pludra, Sergej Stoljarow, Mark Twain, Kurt David und Willi Meinck. Aber da könnte ich noch viele nennen. Ich las einfach alles, was mir in die Finger und vor die Augen kam.


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